In her Cinis Pompeji series, made in Pompeji between 2014 and 2023, Helena Petersen works with the question of how to make a phenomenon visible that otherwise vanishes with the passage of time.
An event that took place in antiquity – which the artist saw as an analogy for photography – was the impetus for Petersens’s journey to an archaeological dig in Pompeji. All life was frozen within fractions of a second following the eruption of Mount Vesuvius in 79 AD. A pyroclastic stream of molten volcanic ash and gas buried the city and its inhabitants and froze them in their final movements. They were preserved beneath layers many meters deep for almost 2000 years. During excavations, hollow spaces with bones were repeatedly discovered. Archaeologists made plaster casts of them for the first time in circa 1860. The ensuing forms (called calchi in Italian) were imprints of human bodies that captured the moment in which the individuals died. Over time, the effects of the ash, which had long been preserved in darkness, were brought to light, a phenomenon that remains unique to date.
The artist regards the ash (cinis in Latin) as a type of photographic negative. The material captures and preserves a sequence in space and time that would otherwise be lost forever. The ash’s fatal, destructive power is no longer visible today. The earth-coloured mounds in the excavation sites appear insignificant and incidental. The artist worked together with an archaeologist to excavate the original ash from the pyroclastic flow out of the precise excavation layer that precipitated and also preserved the fatal instant. In doing so, she rescued it before it disappeared in nature’s next cycle.
Petersen worked with a volcanologist to develop a process that translated the result into a photographic process. The artist exposed this layers of ash to high temperatures in order to restore them to their volcanic plates. The ash was cooled quickly, forming translucent volcanic glass. Numerous unique works resulted because the material reacted differently during each melting process. The ash forged into glass becomes visible as an image only when illuminated by the slide projector’s light.
In her CinisPompeji series, Petersen has created a method for creating images in which ash metamorphoses into glass. To do so, she plumbs the veins of the past and uses what she finds to construct a tissue of experience deeply rooted in the question of what has been and what endures in the present.
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Read interview between Helena Petersen and volcanologist Dr. Corrado Cimarelli about their collaboration for the Project ‘CINIS – Pompeji’ for the exhibtion catalogue WIN WIN – Synergien in der Kunst (Art Foundation DZ Bank 2020)
CINIS POMPEJI (DE)
2014 – 2023
In der Serie Cinis Pompeji, die 2014 – 2023 in Pompeji entstand, setzt sich Helena Petersen mit der Sichtbarmachung eines Phänomens auseinander, das sonst wieder im Kreislauf der Vergänglichkeit verschwinden würde.
Ein Ereignis in der Antike, in dem Helena Petersen eine Analogie zur Fotografie sieht, hat sie zur Ausgrabungsstätte nach Pompeji reisen lassen. Bei dem Vulkanausbruch des Vesuvs von 79 n.Chr. wurde jegliches Leben in nur Bruchteilen von Sekunden zum Stillstand gebracht. Ursache war ein pyroklastischer Strom aus glühender Vulkanasche und Gas, der die Stadt und ihre Bewohner in ihrer letzten Bewegung festhielt und unter sich begrub. Unter meterhohen Schichten wurde dieser Zustand fast 2.000 Jahre konserviert. Bei den Ausgrabungen wurden immer wieder Hohlräume mit Knochen entdeckt, die erstmals um 1860 durch Archäologen mit Gips ausgegossen wurden. Die dabei entstandenen Formen, ital. calchi, waren die Abdrücke der menschlichen Körper, festgehalten als eine Momentaufnahme des tödlichen Ereignisses. Nach und nach kam ans Licht, was die Asche verursacht und in dunkler Verborgenheit unter sich begraben hatte – ein bis heute einzigartiges Phänomen für die Nachwelt.
Es ist die Asche, lat. cinis, die die Künstlerin wie ein fotografisches Negativ betrachtet. Eine Materie, die auf der Zeit- und Raumachse eine Sequenz festhält und konserviert, die sonst wieder verschwindet. Die vernichtende und zerstörerische Kraft der damals glühenden Asche ist heutzutage nicht mehr sichtbar. Die erdfarbenen Hügel in der Ausgrabungsstätte wirken wie unscheinbare Nebenschauplätze. Vor dem Verschwinden im Kreislauf der Natur, extrahiert die Künstlerin mit Hilfe eines Archäologen die originale Asche des pyroklastischen Stroms aus genau der Abgrabungsschicht, die den tödlichen Moment verursacht und zugleich konserviert hat.
Für die Übersetzung in den fotografischen Prozess wendet Petersen mit einem Vulkanologen ein eigens entwickeltes Verfahren an. Unter Einfluss von großer Hitze bringt sie dünne Schichten der Asche in den glühenden Zustand des Ausbruches zurück und schmelzt diese auf Dia-große Träger auf. Schnelles Erkalten der Asche lässt aus ihr lichtdurchlässiges vulkanisches Glas entstehen. Da sich die Materie bei jedem Schmelzungsprozess anders verhält, entstehen unterschiedliche Unikate. Erst mit dem Licht des Diaprojektors wird die zu Glas geschmolzene Asche als ein Bild sichtbar.
Durch die Metamorphose von Asche zu Glas schafft Petersen in der Werkserie Cinis Pompeji eine bildgebende Methode. Dabei spürt sie dem Aspekt der Vergänglichkeit nach und konstruiert aus ihnen ein Erinnerungsgewebe, tief verwurzelt in der Frage nach dem, was ist und was davon gegenwärtig bleibt.
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Lese das Interview (Seite 25 – 27) zwischen Helena Petersen und dem Vulkanologen Dr. Corrado Cimarelli über ihre Zusammenarbeit für das Projekt »CINIS – Pompeji« in dem Katalog der Ausstellung WIN WIN – Synergien in der Kunst (Kunststiftung DZ Bank 2020)